Demokratie im Wandel – Fraktionssitzung in Bonn
In einer unserer letzten Fraktionssitzungen in dieser Wahlperiode haben wir uns in Bonn mit dem Thema Demokratie und Strukturwandel auseinandergesetzt. Dabei haben wir den Blick bewusst sowohl auf die Geschichte der Demokratie in Deutschland als auch auf aktuelle und globale Herausforderungen gerichtet. Zu Beginn führte uns ein geführter Besuch durch den alten Bundesrat und die Ausstellung über den Weg des Grundgesetzes. Dabei wurde deutlich, wie hart umkämpft und nicht selbstverständlich dieser demokratische Neuanfang nach den Schrecken der Diktatur war und wie wichtig es ist, das Grundgesetz nicht nur als historischen Text, sondern als lebendige Grundlage unseres politischen Handelns zu begreifen.
Anschließend haben wir bei einem Rundgang das alte Regierungsviertel erkundet. Dabei ging es nicht nur darum, historische Gebäude zu sehen, sondern zu verstehen, welche raumstrukturellen Fragen der damalige Standort Bonn aufwarf und welche tiefgreifenden Veränderungen mit dem Umzug nach Berlin verbunden waren. Der Wechsel des parlamentarischen Standortes hatte nicht nur Folgen für die große Politik, sondern auch für die kommunale Ebene. Ganze Regionen mussten sich neu orientieren, Arbeitsplätze fielen weg oder entstanden neu, und auch heute noch zeigt sich, dass solche Entscheidungen immer weitreichende Konsequenzen für Städte und Gemeinden haben. Kommunalpolitik kann nie nur lokal gedacht werden – sie ist Teil einer größeren Struktur, die von nationalen und internationalen Entwicklungen geprägt wird.
Besonders eindrucksvoll war unser anschließender Besuch bei den Vereinten Nationen. Dort erhielten wir einen Vortrag über die vielfältigen Tätigkeitsfelder der UN. Viele kennen die Vereinten Nationen vor allem durch Blauhelm-Einsätze oder durch die Vollversammlung. Doch in Wahrheit ist die UN ein Geflecht unzähliger Organisationen, die weltweit koordinierend, helfend und gestaltend tätig sind – vom Welternährungsprogramm über den Flüchtlingshilfswerk UNHCR bis hin zu Organisationen, die sich mit Fragen von Umwelt, Entwicklung oder Gesundheit befassen. Gerade in diesen Tagen, in denen Mittel für die Arbeit der UN gekürzt werden, wird uns die Bedeutung dieser Institution noch klarer. Es ist grausam, sich vor Augen zu führen, dass in unserer Welt, die eigentlich über genügend Ressourcen verfügt, um alle Menschen zu ernähren, alle fünf Sekunden ein Mensch verhungert, alle zehn Sekunden ein Kind. Hunger ist kein Schicksal, er ist das Ergebnis von politischem Versagen, von Ungleichheit und von einer Weltordnung, die Profite über Menschenleben stellt.
Für uns als Linke ist es wichtig, diese Zusammenhänge zu sehen. Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Sie muss immer wieder erkämpft, verteidigt und weiterentwickelt werden – lokal, national und global. Wenn wir uns mit der Geschichte der Bonner Republik beschäftigen, dann tun wir das nicht nur, um in der Vergangenheit zu schwelgen, sondern um zu verstehen, welche Bedeutung demokratische Errungenschaften haben und wie fragil sie sein können. Wenn wir die Arbeit der Vereinten Nationen betrachten, dann nicht aus einer fernen, globalen Perspektive, sondern auch mit Blick auf unsere Arbeit in den Kommunen. Denn die Fragen, die dort behandelt werden – Klimawandel, Flucht, Hunger, Frieden – haben direkte Auswirkungen auf unser Leben vor Ort.
Wir nehmen aus unserer Fraktionssitzung in Bonn die Erkenntnis mit, dass Kommunalpolitik nicht im Kleinen verharren darf. Sie ist eingebettet in größere Zusammenhänge, sie ist Teil eines politischen Ganzen. Wir als Linke wollen diese Zusammenhänge sichtbar machen und uns dafür einsetzen, dass die Stimmen der Menschen vor Ort gehört werden – und dass Solidarität nicht an den Grenzen einer Stadt oder eines Landes endet.
Unser Appell ist klar: Wir dürfen uns niemals damit abfinden, dass Menschen verhungern, während Reichtum im Überfluss vorhanden ist. Wir dürfen uns niemals damit abfinden, dass demokratische Rechte eingeschränkt oder ausgehöhlt werden. Und wir dürfen uns niemals damit abfinden, dass politische Entscheidungen von oben ohne Rücksicht auf die Folgen für Regionen, Städte und Menschen getroffen werden. Demokratie braucht Engagement, Teilhabe und Solidarität – von unten nach oben, lokal wie global. Dafür wollen wir uns als Linke einsetzen, in der Kommunalpolitik, im Land, im Bund und in der internationalen Zusammenarbeit.



