Rede zum Haushalt 2020 / 2021 des Landschaftsverbandes Rheinland

Ulrike Detjen

Sehr geehrte Frau Henk-Hollstein, 
sehr geehrte Mitglieder des Verwaltungsvorstandes, 
liebe Gäste, 
meine Damen und Herren,
wir haben in diesem Jahr 10 Jahre Behindertenrechtskonvention gefeiert – ich meine zu Recht. Doch die Umsetzung durch das BTHG und das Landesausführungsgesetz zum BTHG ist in vieler Hinsicht nicht inklusiv. Für Menschen in stationären Einrichtungen müssen bis zu 18 Anträge und Verfahren durchgeführt werden – von der Einrichtung des eigenen Girokontos, der Mitteilung der Bankverbindung an Sozialamt, die WfbM, den Träger der Eingliederungshilfe bis zur Beantragung des Kostenzuschusses für das Mittagessen in der WfbM. Für manche Betroffene erscheint das so, als sollte ihnen jetzt auch noch das Taschengeld gestrichen werden. Die Verwaltungen des Landschaftsverbandes und der Mitgliedskörperschaften hatten und haben noch gewaltige Umstellungen zu leisten. Dafür gilt Ihnen unser Dank. Die betroffenen Menschen mit Behinderungen haben aber auch gewaltige Umstellungen zu bewältigen. Und da ist die Kommunikation mit ihnen sehr unterschiedlich entwickelt. Die Website des LVR zum BTHG ist gut – aber sie kann kein Ersatz sein für das direkte Gespräch und die unmittelbare Erklärung über die künftigen Neuerungen. Personenzentrierung heißt auch, dass man mit den Personen sprechen muss und nicht nur mit den Einrichtungen und den gesetzlichen Betreuerinnen und Betreuern kommuniziert. 
Die direkte Verständigung kommt mir im Augenblick zu kurz – der LVR war da schon einmal auf einem anderen Weg. Fallmanager/in war mal ein verpöntes Wort. Das ist leider vorbei, ich befürchte die Einstellungen zu den Kundinnen und Kunden des Landschaftsverbandes haben sich über die vielen Umstellungen in der Umsetzung des BTHG wieder verändert. Ich hoffe, das bleibt nicht so und wir besinnen uns alle wieder darauf, dass unsere Aufgabe die bestmögliche Unterstützung der Menschen mit Behinderungen ist und nicht die Erledigung von Fällen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch – ich sehe eine Tendenz, die gestoppt werden kann – und ich gehe davon aus, dass diese Landschaftsversammlung und der Landschaftsverband das Motto Qualität für Menschen nicht in Qualität für Fälle umwandeln will.
Dafür sind die Beschäftigen des LVR von großer Bedeutung. Sie arbeiten alle – ob hier in der Zentralverwaltung oder in den zahlreichen anderen Einrichtungen des LVR – an der Umsetzung dieses Mottos. Dafür bedanke ich mich im Namen der LINKEN. Wir hätten es gut gefunden, wenn sie auch alle die gleichen Möglichkeiten in der Nutzung des Jobtickets hätten. Wir haben einen Antrag der Groko beschlossen, der die Verwaltung beauftragt, ein arbeitgeberseitig vollfinanziertes Jobticket zu prüfen. DIE LINKE hätte sich sehr gefreut, wenn Sie sich außerdem entschlossen hätten, allen Beschäftigten des LVR das bereits bestehende Jobticket zu ermöglichen. Wir haben jetzt die Situation, dass z.B. Beschäftigte im Landesmuseum Bonn ein Jobticket haben, die Beschäftigten in der LVR-Klinik Bonn jedoch nicht. Wenn wir den Umstieg vom motorisierten Individualverkehr auf den öffentlichen Personennahverkehr fördern wollen, muss es für alle Beschäftigten des LVR möglich sein, ein Jobticket zu nutzen. Der letzte Sachstandsbericht in dieser Sache ist aus dem Jahr 2014 – bis heute hat sich aber die Situation in den Verkehrsverbünden und in der Klimadebatte deutlich geändert. Deshalb mein Appell an die Verwaltung: Prüfen Sie, welche Maßnahmen ergriffen werden können, damit alle Beschäftigten des LVR zeitnah ein Jobticket erhalten können.
Meine Damen und Herren,
Wir sollen heute einen Doppelhaushalt beschließen. Daraus ergeben sich ein paar Schwierigkeiten. Verlässliche Aussagen über die Einnahmegrundlagen 2021 und die Höhe der Pflichtaufgaben des Landschaftsverbandes sind noch nicht möglich. Die Kommunen im Stärkungspakt stehen 2021 vor großen Schwierigkeiten, einige haben sich deshalb an uns gewandt. DIE LINKE fände es gut, wenn der Landschaftsverband den Mitgliedskörperschaften zusichert, gegen Ende des ersten Halbjahres 2020, wenn die Umlagegrundlagen halbwegs bekannt sind, zeitnah zu prüfen, ob der Umlagesatz für 2021 so hoch bleiben muss.
Die Verwaltung schlägt gegenüber der Haushaltseinbringung einen um 0,1 Prozentpunkte niedrigeren Umlagesatz vor. Wir wissen, dass Sie in diesem Haushalt noch mit vielen Annahmen über künftige Kosten rechnen – rechnen müssen. Wir wissen aber auch, dass Sie selbst vom LVR und LWL in Auftrag gegebene Studien für die Kostenplanung nicht ernst nehmen. Ich erinnere an die Studie des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik e.V. (ISG) zur Erhebung und Analyse der Frühförderstrukturen (14/3267). Die Kosten, die sich aus dieser Studie ergeben, sind deutlich höher, als die von der Verwaltung jetzt im Haushalt veranschlagten. Vielleicht haben wir Glück und kommen mit dem Geld aus, vielleicht aber auch nicht. Solide ist das nicht.
Ähnliches gilt für den Bereich der Eingliederungshilfe. Es ist der Verwaltung gelungen, in langen Verhandlungen den Landesrahmenvertrag mit den freien Trägern abzuschließen. Noch existiert aber kein Vertrag mit einem Träger. Ob die veranschlagten Kosten ausreichen, vermutet die Verwaltung mit diesem Haushaltsentwurf – ob das stimmt, werden wir erst im nächsten Jahr wissen. Auch, ob die Folgen des Angehörigenentlastungsgesetzes mit 7,5 Millionen Euro ausreichend veranschlagt sind. Wir halten deshalb die Umlagesatz-Senkung für voreilig und lehnen den Haushalt ab.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.