Haushaltsrede von DIE LINKE in der Landschaftsversammlung im LVR
Ulrike Detjen, Fraktionsvorsitzende von DIE LINKE in der Landschaftsversammlung im LVR, erklärt in ihrer Rede zum Doppelhaushalt, warum verlässliche Haushaltspolitik anders aussieht. Außerdem verdeutlicht sie, warum DIE LINKE beantragt hatte, den Haushalt auf das Jahr 2022 zu begrenzen und in diesem Jahr keinen Doppelhaushalt zu beschließen!
Sehr geehrte Frau Henk-Hollstein,
sehr geehrte Mitglieder des Verwaltungsvorstandes,
liebe Gäste,
liebe Mitglieder der Landschaftsversammlung,
Die Corona-Pandemie macht die Berechnung des Umlagesatzes unsicher – das sehen wir bei der Festlegung des Umlagesatzes für 2022 – erst 15,8%, dann abgesenkt auf 15,2% und dann nach dem Willen der Koalition 15,4% und jetzt wieder 15,2%. Der Zorn bei den Mitgliedskörperschaften und den kreisangehörigen Gemeinden war heftig über die Anhebung auf 15,4% – selbst der NRW-Städtetag protestierte. In ihrem Haushaltsbegleitbeschluss gibt die Koalition selbst bekannt an, dass die Kommunen mit einem weiteren Strauchelkurs rechnen müssen. Die Koalition kündigt eine mögliche weitere Reduzierung an. Nach dem Eiertanz, den Sie aufgeführt haben, weiß keine Kommune mehr, in welche Richtung das weiter gehen wird – eine „Reduzierung“ ist überhaupt nicht in Sicht – im Gegenteil. 2023 soll die Umlage auf 16,65% steigen. Oder weniger oder auch mehr. Verlässliche Haushaltspolitik ist das nicht.
Ebenfalls unklar ist, welche Auswirkungen die weitere Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes haben wird. Die letzte Stufe tritt zum 1.1.2023 in Kraft. Schon bisher haben sich einige Umsetzungen als kostenintensiver herausgestellt, als geplant, z.B. im Kinder- und Jugendbereich, bei anderen Umsetzungsschritten war es weniger, was davon pandemiebedingt ist, wissen wir nicht. Die Mittel, die der LVR in den nächsten zwei Jahren aufbringen muss, sind Schätzwerte auf einer unsicheren Grundlage.
Weil die Umlagegrundlagen für 2023 und die Kosten für 2023 unsicher sind, hat DIE LINKE beantragt, den Haushalt auf das Jahr 2022 zu begrenzen und in diesem Jahr keinen Doppelhaushalt zu beschließen!
Meine Damen und Herren,
Qualität für Menschen schließt aus unserer – und hoffentlich auch aus ihrer – Sicht die Beschäftigten des Landschaftsverbandes mit ein. Wenn jedoch tariflich vereinbarte Lohnerhöhungen und Besoldungserhöhungen im Haushalt nicht berücksichtigt sind, ist das eine versteckte Kürzung. Die Dezernate müssen diese ja absehbare Personalkostensteigerung aus ihrem Konsolidierungsbeitrag finanzieren, sei es in Gestalt einer faktischen, wenn auch versteckten Wiederbesetzungssperre, sei es in Form geringerer Sachmittel. In beiden Fällen muss mit Abstrichen an der Qualität der Arbeit des LVR gerechnet werden. Will der Landschaftsverband eine sachgerechte und zeitnahe Aufgabenerfüllung sicherstellen, ist die Berücksichtigung von Personalkostensteigerungen unabdingbar. Sie ist zugleich auch Ausdruck des Respekts und der Wertschätzung gegenüber dem eigenen Personal. Wir erkennen gerne an, dass der LVR die sachgrundlosen Befristungen deutlich zurückgenommen hat. Wir sehen aber auch, dass Grundsätze, die im LVR gelten, nicht für die 100%ige Tochter des LVR gelten. In der Rheinland Kultur GmbH ist es üblich, Arbeitsverträge erst nach zwei Jahren zu entfristen. Reinigungspersonal an den Schulen wird in den Schulferien in den unbezahlten Urlaub geschickt. Das ist vielleicht branchenüblich, aber nicht menschenwürdig. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Standards, die im Landschaftsverband bestehen, auch bei der Servicegesellschaft des Landschaftsverbandes gelten.
Meine Damen und Herren,
die Corona-Pandemie hat uns auch vor Augen geführt, wie fragil die Bemühungen um Inklusion sind und wie schnell die Belange von Menschen mit Behinderungen beiseite gedrückt oder ganz vergessen werden. Schulschließungen führen zur Vereinsamung von Kindern. Menschen im ambulant betreuten Wohnen hatten viel weniger direkte Kontakte, manche verlassen ihre Wohnung kaum noch. In vielen Fragen wurden Menschen mit Behinderungen schlicht zunächst vergessen. Masken und Schutzkleidung für Mitarbeitende in stationären Wohneinrichtungen kamen später als in Senioreneinrichtungen. In der schulischen Inklusion gibt es ein richtiges Roll-back. Die Zahl der Förderschulen nimmt wieder zu, der Anteil inklusiv beschulter Kinder geht zurück. Der Landschaftsverband hat gesetzliche Aufgaben zu erfüllen – wir haben uns aber auch der Inklusion verpflichtet. Wir sind uns einig, dass die Inklusionspauschale weitergeführt werden soll. Aber das reicht nicht. Wir müssen noch größere Anstrengungen unternehmen, um exklusive Strukturen wie Förderschulen, stationäre Unterbringung oder Werkstätten für Menschen mit Behinderung zu überwinden. Das Krüppeltribunal von Dortmund ist jetzt 40 Jahre her und manche seiner Anliegen sind trotz Behindertenrechtskonvention noch immer nicht umgesetzt. Es wird Zeit dafür.
Wir werden diesen Doppelhaushalt ablehnen.