DIE LINKE im LVR - Rede zum Haushalt 2019
Sehr geehrte Frau Henk-Hollstein,
sehr geehrte Mitglieder des Verwaltungsvorstandes,
liebe Gäste,
meine Damen und Herren,
Mit dem Haushalt 2019 wird die Landschaftsversammlung heute sozusagen einen Zwischenhaushalt beschließen mit einem sensationell niedrigen Umlagesatz. Wie es weitergeht ist noch unklar, verlässliche Aussagen für die Jahre 2020 und folgende sind noch nicht möglich. Welche Kosten durch die Umsetzung des Ausführungsgesetzes zum Bundesteilhabegesetz auf den Landschaftsverband und welche auf die Kommunen zukommen, ist noch nicht klar und nur in Umrissen schätzbar. Wir haben im Verlauf der letzten Wochen einen vorbereitenden Beschluss zur Umsetzung des BTHG auf den Weg gebracht, der zumindest bei den Sozialpsychiatrischen Zentren und bei einigen Trägern für viel Unruhe gesorgt hat. Die Zweifel konnten in den Beratungen abgeschwächt werden, die Wohlfahrtsverbände und die anderen Träger sind mit einbezogen.
In der ganzen Debatte haben jedoch die Menschen mit Behinderungen, für die die Änderungen des Bundesteilhabegesetzes entscheidend sind, nur eine kleine Rolle gespielt. Sie müssen ihre Abläufe bei Antragstellung und Antragsbearbeitung ändern. Hier sieht die LINKE im nächsten Jahr noch eine wichtige Aufgabe für den Landschaftsverband: Vor allem denen, die betroffen sind, verständlich zu machen, was sich für sie ändert und wie es sich für sie ändert. Viele von ihnen haben Angst vor Veränderungen und fürchten Verschlechterungen – diese Besorgnisse muss der Landschaftsverband in den Umstellungen berücksichtigen und ausräumen.
Ich habe in der Debatte über Peer Counseling – die Beratung von Behinderten durch Behinderte – Beiträge gehört, die mich zweifeln lassen, ob die Ergebnisse der Prognos-Studie zu unseren eigenen Projekten bei allen angekommen sind. „Nichts über uns ohne uns“ bedeutet nicht, alle Menschen mit Behinderungen in einen Topf zu werfen. Besondere Behinderungen brauchen besondere Antworten. Sie gehen doch auch nicht zum Zahnarzt, um sich bei Augenproblemen beraten zu lassen.
Bestandteil dieses Haushaltes sind auch die noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen über die Entgelte für die Träger von Maßnahmen der Eingliederungshilfe. Die Verwaltung geht davon aus, dass die Steigerungsraten bei den Entgelten unter den Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst liegen müssen. Ich möchte davor warnen, hier zu viel Druck aufzubauen. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist angespannt, und das gibt den Beschäftigten in den Pflege- und Sozialberufen seit langer Zeit die Möglichkeit, sich unter freien Stellen umzuschauen und diese nach Qualität und Bezahlung zu wählen. Die Wahlmöglichkeit liegt nicht mehr nur bei den Arbeitgebern, sondern endlich mal wieder bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Wenn die Entgelte zu knapp sind, kann es zu bedeutenden Engpässen in der Unterstützung für Menschen mit Behinderungen kommen.
Wir sehen dies in den eigenen Einrichtungen des Landschaftsverbandes – die Personalengpässe nehmen zu, in der Pflege und in der Verwaltung. Attraktive Arbeitsplätze sind für den LVR wichtig – nicht nur im Verband, sondern auch bei den freien Trägern und Wohlfahrtsverbänden. Die LINKE hat früh auf die Probleme hingewiesen, die befristete Arbeitsverträge für die Beschäftigten und den Landschaftsverband bedeuten. Die sachgrundlosen Befristungen werden zum Glück zurückgefahren. Lassen Sie uns aufpassen, dass nun ähnliche Probleme verhindert werden und dass der LVR auskömmlich zahlt.
Die LINKE schätzt zwei Beschlüsse im Rahmen des Haushalts besonders: Zum einen den einstimmig beschlossene Antrag 14/224, nach dem geprüft werden soll, ob es bei der Hilfsmittelversorgung von Schülerinnen und Schülern an LVR-Schulen auch – ich zitiere – „einen Bedarf für eine freiwillige Leistung des LVR gibt“. Das sind mal neue Töne, die die LINKE sehr erfreuen. Und zum anderen die Fortführung der Inklusionspauschale. Damit können auch Schulen in Kommunen unter Haushaltssicherung sie endlich in Anspruch nehmen, die bisher wegen des nötigen kommunalen Eigenanteils diese Unterstützung bei der Inklusion von Kindern davon ausgeschlossen waren. Dafür möchte ich mich beim Dezernat für Schulen und Integration bedanken.
Sehr geehrte Damen und Herren von der Großen Koalition, sie haben am letzten Montag im Eilverfahren gegen die Stimmen von Freien Wählern, Grünen und LINKEN beschlossen, ein weiteres Dezernat einzurichten. Nach dem jetzt vorliegenden zweiten Veränderungsnachweis wird das die Mitgliedskörperschaften in den nächsten acht Jahren viel Geld kosten: Mit 2 Millionen Euro müssen sie rechnen. Was Sie damit den Mitgliedskörperschaften und dem LVR antun wollen, ist ein Skandal. Das Rücksichtsnahmegebot gegenüber den Kommunen ist unwichtig, wenn es um Posten geht. Der Antrag ist Hals über Kopf eingebracht: Sie selbst mussten die erst vorgesehene falsche Besoldungseinstufung der Dezernatsleitung im Landschaftsausschuss aus ihrem eigenen Antrag streichen.
Dass sich der LVR mit Digitalisierung befassen muss, steht außer Frage. Das berücksichtigen auch die am letzten Montag ebenfalls beschlossenen Ergebnisse der Verwaltungsstrukturüberprüfung der Verwaltung. Ich zitiere aus der Vorlage 14/2747/1: „Stattdessen bieten die bereits eingerichteten Stellen die Chance, die Funktion einer IT- Leitstelle aufzubauen. Diese hätte die für die zukünftige Entwicklung des LVR strategisch wichtige Aufgabe, den Verwaltungsvorstand im Hinblick auf die IT-Entwicklung zu beraten sowie laufende und geplante IT-Vorhaben zu koordinieren und zu begleiten. Im Sinne einer LVR-IT-Gesamtstrategie wären Standards zu entwickeln und Vorschläge für eine zukunftssichere IT-Nutzung zu erarbeiten. Für diese Umwidmung sprechen die durch IT- Vorhaben gebundenen finanziellen Mittel von geschätzten 30,0 Mio. Euro sowie die strategische Bedeutung angesichts des digitalen Wandels in der Gesellschaft und den daraus ableitbaren Anforderungen an eine moderne weitgehend digital arbeitende Verwaltung.“ Das ist im Haushaltsentwurf bereits vorgesehen.
Was die Aufgaben des neuen Dezernats konkret sein sollen, ist auch aus Ihrer Begründung nicht zu erkennen. Warum haben Sie nicht ein Gutachten beauftragt, das feststellt, welchen Aufgaben sich der LVR in Fragen der Digitalisierung und der Mobilität stellen muss?
Die in der Antragsbegründung aufgeführte Aufgabe, das Dezernat solle die Mitgliedskörperschaften in Fragen der Digitalisierung und Mobilität beraten, ist hanebüchen. Erstens kann sich der Landschaftsverband seine Aufgaben nicht einfach aussuchen. Ich frage mich, was das Innenministerium des Landes von diesem Aufgabenzuwuchs hält. Zweitens sind die Mitgliedskörperschaften in beiden Fragen längst unterwegs, die Sicherung der Mobilität gehört zu den Grundaufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge. Ich bin mir sicher, dass der LVR da eher von manchen Mitgliedskörperschaften lernen kann. In Fragen der Digitalisierung stellt sich für die öffentliche Hand doch nicht nur die Frage, dass die Verwaltungsprozesse digitalisiert werden müssen, sondern auch, welcher Teil der Digitalisierung zum Bestandteil der Daseinsvorsorge werden muss. Und für den Landschaftsverband entsteht aus unserer Sicht die besondere Aufgabe, den Beitrag zur Digitalisierung so zu gestalten, dass für Menschen mit Behinderungen keine neuen Barrieren entstehen, sondern Nutzen für alle entsteht. Davon liest man bei Ihnen nichts.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die LINKE hat dem Haushaltsentwurf und dem ersten Veränderungsnachweis für diesen Haushalt zugestimmt. Der zweite Veränderungsnachweis berücksichtigt das neue Dezernat und erhöht das Defizit des Haushalts – im nächsten Jahr noch in einem überschaubaren Umfang. Da mit dem beschlossenen Dezernat Digitalisierung und Mobilität die Maximalzahl der möglichen Dezernate erreicht ist, werden uns also keine weiteren Dezernate ins Haus stehen. Dennoch halten wir das jetzt eingeschlagene überhastete Schnellverfahren nicht für angemessen und werden deshalb den Haushalt in der jetzt vorliegenden Fassung ablehnen.
Ich danke im Namen der LINKEN allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landschaftsverbandes, die mit ihrer Arbeit die Situation von Menschen mit Behinderungen erleichtern.
Sehr geehrte Damen und Herren,
eine persönliche Bemerkung zum Schluss: Wir leben in einer Zeit gesellschaftlicher Brutalisierung. Die Grenzen dessen, was erlaubt ist, verschieben sich. Es ist möglich, diskriminierende Anfragen gegen Menschen mit Behinderungen Kommunalvertretungen, Landtagen und im Bundestag zu stellen. Wer solche Anfragen stellt, ist auch willens, entsprechende Beschlüsse zu fassen und umzusetzen. Rosa Luxemburg hat einmal gesagt: „Die Missachtung des Lebens und die Brutalität gegen den Menschen lassen die Fähigkeit des Menschen zur Unmenschlichkeit erkennen. – Sie kann und darf kein Mittel irgendeiner Konfliktlösung sein und bleiben.“ Lassen Sie uns daran gemeinsam arbeiten.