Barrierefreien Wohnraum auf- und ausbauen! Kommunale Instrumente für inklusive Wohn- und Sozialräume nutzen
Musterantrag
Beschlussvorschlag:
Das Gremium X in der Gebietskörperschaft Y beschließt:
1. In Rücksprache und enger Abstimmung mit lokalen Organisationen von und für die Menschen mit Beeinträchtigungen soll die kommunale Wohnungsbaugesellschaft XY
- einen festen Anteil nicht unter 10 Prozent barrierefreier Wohneinheiten in jedem Neubau einplanen und realisieren,
- wo immer möglich, ihren Wohnungsbestand bis mindestens zur Erfüllung o.g. Anteils pro Gebäude barrierefrei umbauen sowie
- wo immer möglich, inklusive Wohnprojekte von und für Menschen mit und ohne Behinderung in Kooperation mit der inklusiven Bauprojektförderung des Landschaftsverbands Rheinland anzustoßen und zu realisieren.
2. Gebietskörperschaft XY beschließt, mit städtebaulichen Verträgen das Ziel zu verfolgen, barrierefreien Wohnraum zu schaffen.
Begründung:
Gemäß § 4 Behindertengleichstellungsgesetz Nordrhein-Westfalen - BGG NRW ist die Schaffung von Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen ein zentrales Ziel, das von den Trägern öffentlicher Belange im Rahmen ihrer Zuständigkeit umzusetzen ist.
Allerdings ist die Realität eine ganz andere. Der Teilhabebericht Nordrhein-Westfalen 2020 zur Lebenssituation von Menschen mit Beeinträchtigungen und zum Stand der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention oder der Bericht der Monitoring-Stelle Deutsches Institut für Menschenrechte zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in den Bereichen Wohnen, Mobilität, Bildung und Arbeit in Nordrhein-Westfalen kommen unmissverständlich zum Ergebnis, dass das Angebot an geeigneten Wohnformen insbesondere für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf noch unzureichend ist. Dies wird vor allem auf einen Mangel an barrierefreiem Wohnraum zurückgeführt.
Die UN-BRK fordert eine sog. Deinstitutionalisierung, d.h. einen Veränderungsprozess weg von institutionalisierten Wohnformen hin zu Wohnmöglichkeiten, die Menschen mit Behinderungen Kontrolle über das eigene Leben sowie Inklusion in die und Partizipation an der Gemeinschaft ermöglichen. Tatsächlich aber ist eher das genaue Gegenteil zu beobachten, nämlich einerseits die Verdrängung von Menschen mit Behinderungen aus ihrem angestammten Wohnumfeld und andererseits, dass bestimmte Wohnquartiere von Menschen mit Behinderungen mangels für sie zugänglicher Wohneinheiten gar nicht mehr in Frage kommen.
„Im April 2018 bezeichneten behindertenpolitische Organisationen bei einer Konsultation mit der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention den großen Mangel an geeignetem und bezahlbarem Wohnraum als größte Schwierigkeit für Menschen mit Behinderungen in Nordrhein-Westfalen. Insbesondere in den Ballungszentren fehlten Anreize, barrierefreie, uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbare Wohnungen in allen Wohnlagen zu bauen. Das gälte sowohl für Neu- als auch für Umbauten. (…)
ältere Menschen mit Behinderungen berichteten, dass sie häufig schon vor Jahren oder Jahrzehnten aufgrund von Wohnraummangel gezwungen waren, aus der Wohngegend ihrer Wahl wegzuziehen. Eine Rückkehr sei oft nicht möglich“ (Deutsches Institut für Menschenrechte/ Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention, Analyse. Menschen mit Behinderungen in Nordrhein-Westfalen. Zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in den Bereichen Wohnen, Mobilität, Bildung und Arbeit, Januar 2019, S. 17f).
Kommunale Gebietskörperschaften sollten alle ihnen zustehende Spielräume nutzen, um den Bestand barrierefreier Wohnungen zu vergrößern. Hierfür können sie ihre eigenen Wohnungs- und Wohnungsbaugesellschaften sowie private Bauherren verpflichten.
Eine Vergrößerung des Bestandes barrierefreier Wohnungen bedeutet mehr Möglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt für Menschen mit Behinderungen. Die Verfügbarkeit einer barrierefreien Wohnung im selben Haus oder zumindest im selben Quartier kann zudem davon befreien, bei neuer bzw. altersbedingter Beeinträchtigung die angestammte Umgebung verlassen zu müssen. Absehbar werden aufgrund längerer Lebenserwartung, bei zugleich häufigeren Beeinträchtigungen im hohen Alter künftig mehr barrierefreie Wohnungen nötig sein. Es ist nur folgerichtig und der Zukunft zugewandt, sich auf kommunale Ebene hierfür einzusetzen.